Philippe Kenel

 

Besteuerung der französisch-schweizerischen Vermögen

 

Wohlhabende Personen ziehen die grösste Aufmerksamkeit der Steuerbehörden auf sich. Hier ein Überblick über den Stand der schweizerisch-französischen Beziehungen und der Anwendung des am 9. September 1966 geschlossenen Abkommens zwischen der Schweiz und Frankreich zur Vermeidung der Dopp elbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Vermeidung von Steuerbetrug und Steuerflucht.

 

 

Bei Personen, die nach dem Aufwand besteuert werden, wird als Bemessungsgrundlage nicht das erzielte Einkommen oder das Vermögen zugrunde gelegt, sondern der Aufwand. Dabei muss der Aufwand immer mindestens dem Fünffachen des Mietwerts ihrer Wohnstätte entsprechen. Für Neuankömmlinge und für Personen, die vor dem 31. Dezember 2015 in der Schweiz angekommen sind, gilt ab dem 1. Januar 2016, dass der Aufwand mindestens dem

Siebenfachen des Mietwerts entsprechen muss.

 

Die Problematik bei der Anwendung des Doppelsteuerungsabkommens von 1966 bei der Aufwandsbesteuerung lässt sich wie folgt zusammenfassen: In Artikel 4, Absatz 6 lit. b, wird gesagt, wer im Sinne des Abkommens nicht als in der

Schweiz oder in Frankreich ansässig gilt: «natürliche Personen, die in diesem Staat nur auf einer pauschalen Grundlage

besteuert werden, die nach dem Mietwert der Wohnstätte(n) bemessen wird, über die sie in diesem Staat verfügen.» 1967 haben die schweizerischen und französischen Steuerbehörden im Rahmen eines Verständigungsverfahrens

den Begriff der «erhöhten Pauschale» geprägt. Mit anderen Worten: Wenn die nach dem Aufwand besteuerte Person akzeptiert, dass ihre Bemessungsgrundlage um etwa 30 Prozent erhöht wird, hat diese Person für die französischen

Steuerbehörden im Sinne des Doppelbesteuerungsabkommens ihr Steuerdomizil in der Schweiz.

 

Wer hat Recht? Die Schweiz oder Frankreich?

Die Schweiz hat den Fehler gemacht zu akzeptieren, dass lediglich Personen, für die die erhöhte Pauschale gilt, vom

Doppelbesteuerungsabkommen profitieren können. Dies war deswegen ein Fehler, weil dieser Personentyp in dem

genannten Artikel 4, Absatz 6 lit. b, überhaupt nicht gemeint ist. Am 26. Dezember 2012 hat die Generaldirektion der

französischen Staatsfinanzen das Doppelbesteuerungsabkommen ab dem 1. Januar 2013 unilateral gekündigt.

 

« Wir empfehlen den Erben einer Person mit Steuerwohnsitz in der Schweiz, Frankreich zu verlassen. »

 

Die französische Position ist unter mehreren Gesichtspunkten falsch. Zunächst einmal und obwohl dies umstritten ist, gehen wir davon aus, dass Frankreich nicht das Recht hatte, eine seit 40 Jahren gültige Vereinbarung unilateral zu kündigen. Und selbst, wenn man akzeptieren würde, dass diese Kündigung der Vereinbarung rechtens war, müsste sich daraus ergeben, dass Artikel 4, Absatz 6 lit. b, wörtlich ausgelegt und angewendet werden muss. Diese Klausel zielt aber überhaupt nicht auf die in der Schweiz nach dem Aufwand besteuerten Personen ab. Zum einen ergibt sich klar

 

« Die französische Position ist eine völlige Fehlauslegung. »

 

aus dem Vereinbarungstext, dass Personen, die mit einer auf Basis des Mietwertes ihrer Wohnstätte(n) berechneten Pauschale besteuert werden, vom Anwendungsbereich der Vereinbarung ausgenommen sind. Die Personen, die nach dem Aufwand besteuert werden, werden aber nicht auf Basis des Mietwertes ihrer Wohnstätte, sondern auf Basis der Höhe ihres Aufwands besteuert. Der Mietwert spielt nur bei der Festsetzung des Mindestaufwands eine Rolle. Zum anderen ergibt sich aus einer historischen Studie der Verhandlung über Artikel 4, Absatz 6 lit. b, dass diese Klausel überhaupt nicht auf die in der Schweiz nach dem Aufwand besteuerten Personen abzielte. Der Bundesrat hat in seiner Botschaft auch niemals darauf Bezug genommen. Bei letzteren Personen handelte es sich um Personen mit Steuerwohnsitz in der Schweiz, die in Frankreich einen Zweitwohnsitz besitzen und in diesem Land auf Basis des Mietwertes ihrer Immobilie pauschal besteuert werden.

Die Schweiz muss hart bleiben

Vor diesem Hintergrund ist die Frage legitim, weshalb die eidgenössischen Steuerbehörden im Rahmen des Verständigungsverfahrens das System der «erhöhten Pauschale» akzeptiert haben. Wie auch immer die Antwort auf diese Frage ausfallen mag, ergibt sich aus dem oben Gesagten, dass die schweizerische Akzeptanz der unilateralen Kündigung der Vereinbarung durch Frankreich die wörtliche Auslegung und Anwendung von Artikel 4, Absatz 6 lit. b, des Doppelbesteuerungsabkommens von 1966 nach sich ziehen würde, die in der Schweiz nach dem Aufwand besteuerte Personen überhaupt nicht betrifft. Daraus würde sich ergeben, dass pauschal besteuerte Personen vom Doppelbesteuerungsabkommen auch dann profitieren, wenn sie keine «erhöhte Pauschale» zahlen!

 

Da die Position Frankreichs eine völlige Fehlauslegung ist, ist es wichtig, dass die Schweiz gegenüber ihrem Nachbarland hart bleibt. Die einzige Position, die wir bereit sind zu akzeptieren, ist eine fortgesetzte Anwendung der «erhöhten Pauschale» durch die Schweiz, auch wenn diese, wie wir oben

gesehen haben, dem Vereinbarungstext widerspricht.

 

Es gilt zu unterstreichen, wie wichtig die Anwendung des Doppelbesteuerungsabkommens von 1966 für die pauschal besteuerten Personen ist. Es erlaubt ihnen nämlich nicht nur, eine gewisse Anzahl an Quellensteuern teilweise oder vollständig zurückgezahlt zu bekommen, sondern durch die Vereinbarung wird vor allem auch die Frage nach dem Steuerdomizil anhand der in der Vereinbarung vorgesehenen Kriterien beantwortet und damit im Grossen und Ganzen anhand des Lebensmittelpunkts. Dafür wird Artikel 4 B des französischen Steuergesetzbuchs (CGI) nicht mehr angewendet, der insbesondere vorsieht, dass eine Person ihr Steuerdomizil in Frankreich hat, wenn dort ihr wirtschaftlicher Interessenschwerpunkt liegt oder wenn sie dort eine Aktivität ausübt, von der nicht nachgewiesen werden kann, dass es sich um eine Nebenaktivität handelt.

 

Erbschaftssteuern

Mit Wirksamkeit zum 31. Dezember 2014 hat Frankreich das Doppelbesteuerungsabkommen von 1953 gekündigt, laut dem bei dem Tod einer Person mit Steuerdomizil in der Schweiz dort sämtliche Erbschaftssteuern fällig waren, ausser den Steuern auf in eigenem Namen gehaltene Immobilien in Frankreich.

 

Seit dem 1. Januar 2015 unterliegt die Besteuerung aus französischer Sicht dem Artikel 750 ter des CGI. Laut dieser Klausel wird bei dem Tod einer Person mit Steuerwohnsitz in der Schweiz in Frankreich zum französischen Satz eine Steuer auf das gesamte Erbe erhoben, sofern sich der Steuerwohnsitz des Erbes in den letzten zehn Jahren für sechs Jahre in Frankreich befand. Ist dies nicht der Fall, werden lediglich die französischen beweglichen Gegenstände und Immobilien besteuert.

 

In Anbetracht dieser neuen Regeln empfehlen wir den Erben einer Person mit Steuerwohnsitz in der Schweiz, Frankreich zu verlassen, dort keine Immobilien und keine beweglichen Gegenstände zu besitzen (darunter fallen auch Aktien und Anleihen) und in Bezug auf die Regeln zum Steuerwohnsitz sehr vorsichtig zu sein.