Philippe Kenel
Standortverlagerung: Welchen Staat soll man auswählen?
Philippe Kenel, Doktor der Rechtswissenschaften, Rechtsanwalt in Lausanne, Genf und Brüssel, Python & Peter
Wenn sich eine Person entscheidet, aus steuerlichen Gründen ihren Standort zu verlegen, erstellt sie eine Shortlist von Ländern, die auf der einen Seite im Hinblick auf die Vermögens- und Kapitalertragssteuer und auf der anderen Seite in Bezug auf die Erbschaftssteuer attraktiv sind.
Die zu dieser Shortlist gehörenden Staaten, von denen mehrere Mitglieder der Europäischen Union sind, können in zwei Kategorien eingeteilt werden: erstens in diejenigen Länder, die eine besondere Form der Besteuerung für ausländische Staatsangehörige bieten, und zweitens in die Staaten, die eine geringe Besteuerung für alle vermögenden Steuerzahler kennen.
Die traditionellen Vertreter der ersten Kategorie sind die Schweiz und Grossbritannien. In der Schweiz kann ein ausländischer Staatsangehöriger, der auf Schweizer Boden keine Tätigkeit ausübt, von der Besteuerung nach dem Aufwand – auch als Pauschalbesteuerung bezeichnet – profitieren, bei der er seine Steuern nicht auf der Grundlage seines Vermögens oder seiner Einkünfte, sondern auf der Grundlage seiner Ausgaben zahlt. Obwohl der Steuersatz für die Erbschaftssteuer von den Kantonen festgelegt wird, ist dieser in der Regel sehr niedrig. Was Grossbritannien anbelangt, so gibt es dort das Besteuerungssystem mit der Bezeichnung «resident non domiciled», kraft dessen der Steuerzahler nur Steuern auf seine Einkünfte britischer Herkunft und auf sein Vermögen bezahlt, das sich auf dem Gebiet des Vereinigten Königreichs befindet. Bei seinem Tod bezahlen die Erben des Steuerzahlers, der in den Genuss dieser Art der Besteuerung kommt, keine Erbschaftssteuer für die sich im Ausland befindenden Guthaben. Dieses auf die Erbschaft bezogene Privileg endet jedoch nach siebzehn Jahren. Der wesentliche Unterschied zwischen dem britischen und dem Schweizer System ist, dass die «resident non domiciled» im Gegensatz zu den Schweizer Steuerzahlern, die von der Steuer nach Aufwand profitieren, in Grossbritannien eine Erwerbstätigkeit ausüben können. Im Lauf der vergangenen Jahre haben sowohl die Schweiz als auch Grossbritannien härtere Bedingungen aufgestellt, um von diesen vorteilhaften Besteuerungsformen profitieren zu können. Die Briten haben vorgesehen, dass der Steuerzahler ab dem achten Jahr zusätzlich zu den vorgenannten Steuern einen Betrag in Höhe von 30 000.– Pfund pro volljährige Person bezahlen muss. Dieser Betrag erhöht sich ab dem zwölften Jahr auf 50 000.– Pfund. In der Schweiz darf der Betrag der Ausgaben, wonach der Steuerzahler besteuert wird, nicht geringer sein als der fünffache Mietwert der Immobilie, wo der Steuerzahler seinen Wohnsitz hat. Ab dem 1. Januar 2014 wird dieser Wert auf das Siebenfache des Mietwerts angehoben. Im Übrigen wird, während die Kantone den Mindestbetrag des Aufwands, auf dessen Grundlage die kantonale und kommunale Steuer berechnet wird, weiterhin frei bestimmen können, die direkte Bundessteuer, die etwa einem Drittel der Gesamtsteuer entspricht, auf einen Mindestaufwandsbetrag von 400 000.– Franken geschuldet. Darüber hinaus werden die Kantone verpflichtet sein, eine Vermögenssteuer zu erheben, die im Prinzip auf der Grundlage eines fiktiven Vermögens berechnet wird, dessen Betrag in Bezug auf die Quelle der Ausgaben festgelegt werden wird.
Seit dem 1. Januar 2013 hat Portugal, das auch – und dies ist zu betonen – Mitglied der Europäischen Gemeinschaft ist, ein sehr attraktives System für Personen eingeführt, die während der letzten fünf Jahre keinen Wohnsitz in Portugal hatten. Die hauptsächliche Idee dieser neuen Regelung ist, dass die Einkünfte portugiesischer Herkunft, insbesondere berufliche Einkünfte, mit einem Satz von 20 Prozent besteuert werden, während die Einkünfte ausländischer Herkunft, sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind, in Portugal nicht besteuert werden. Darüber hinaus existieren keine Vermögenssteuer und keine Erbschaftssteuer zwischen Verwandten in gerader Linie.
Neben diesen Staaten, die einen besonderen Status für eine Kategorie von Steuerzahlern vorsehen, gibt es sehr viele Staaten, die allen Steuerzahlern eine sehr milde Besteuerung in Bezug auf die Vermögens- und Kapitalertragssteuer bieten. Das am häufigsten zitierte Beispiel ist Belgien, wo weder eine Vermögenssteuer noch eine Kapitalertragssteuer existieren. Was Zinsen und Dividenden angeht, so werden diese mit einem abgeltenden Höchstsatz von 25 Prozent besteuert. Belgien kennt eine hohe Erbschaftssteuer, zum Beispiel beträgt diese zwischen Verwandten gerader Linie circa 30 Prozent. Es ist jedoch möglich, diese in völlig legaler Weise zu vermeiden, indem man Schenkungen vornimmt, die nicht besteuert werden, sofern der Schenker drei Jahre ab dem Zeitpunkt, in dem die Schenkung vorgenommen wird, noch lebt, oder die mit einem sehr geringen Satz besteuert werden, wenn sie zum Zeitpunkt ihrer Vornahme angegeben werden. Das Grossherzogtum Luxemburg folgt der gleichen Logik wie Belgien. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass in diesem Land keine Erbschaftssteuer zwischen Verwandten gerader Linie besteht. Eine Übersicht über die steuerlich attraktiven Staaten wäre ohne Erwähnung des Fürstentums Monaco und der osteuropäischen Staaten unvollständig. Das Fürstentum Monaco, das für französische Staatsangehörige aufgrund des die beiden Länder verbindenden Doppelbesteuerungsabkommens nicht interessant ist, bietet den Vorteil, dass es weder eine Vermögenssteuer noch eine Einkommenssteuer oder eine Erbschaftssteuer kennt. Was die osteuropäischen Staaten angeht, so bieten die absolut meisten von ihnen das System der «Flat Tax», wonach der Steuerzahler lediglich eine Steuer in Höhe von 15 Prozent auf seine Einkünfte zahlt.
Sobald die Shortlist der steuerlich attraktiven Länder bekannt ist, obliegt es dem Steuerzahler, der seinen Standort verlegen möchte, sich an einen Spezialisten zu wenden, um zu bestimmen, welches dieser Systeme am besten seiner Situation entspricht. Sofern mehrere Staaten im Rennen bleiben, muss er eine Wahl anhand von subjektiveren Kriterien treffen, wie zum Beispiel der gesprochenen Sprache, der Nähe zwischen seinem neuen Aufnahmestaat und dem Staat, den er verlässt, dem Grad der juristischen und politischen Stabilität, den Immobilienpreisen, der Lebensqualität etc.