Philippe Kenel

 

Nein zur Volksinitiative «Schluss mit den Steuerprivilegien für Millionäre (Abschaffung der Pauschalbesteuerung)»!

 

Dr. iur. Philippe Kenel, Rechtsanwalt in Lausanne, Genf und Brüssel, Python & Peter

 

Am 30. November 2014 wird sich das Schweizer Volk zur Initiative äussern, welche von der Linken lanciert wurde und deren Zweck es ist, die «Steuerprivilegien» für natürliche Personen und vor allem die Pauschalbesteuerung zu verbieten.

 

Einleitend wird in Erinnerung gerufen, dass das Schweizerische Parlament mit dem Bundesgesetz über die Pauschalbesteuerung vom 28. September 2012 die Bedingungen für diese Steuer bereits stark verschärft hat. Einerseits werden die Kantone verpflichtet, eine Mindestschwelle der Ausgaben für die Kantons- und Gemeindesteuern einzuführen, und dieser Mindestbetrag wurde bezüglich der direkten Bundessteuer auf CHF 400 000.– festgelegt. Andererseits darf die Mindestschwelle der Ausgaben nicht mehr das Fünffache des Mietwerts der vom Steuerpflichtigen bewohnten Immobilie betragen, sondern das Siebenfache. Schliesslich müssen die Kantone das Vermögen des Steuerzahlers auf die eine oder andere Art besteuern. Diese neuen Bestimmungen werden für Neuankömmlinge am 1. Januar 2016 in Kraft treten und am 1. Januar 2021 für die Personen, die bereits per 31. Dezember 2015 in der Schweiz nach dem Aufwand besteuert werden.

 

Allgemein gesagt, muss die Initiative «Schluss mit den Steuerprivilegien für Millionäre (Abschaffung der Pauschalbesteuerung)» aus den folgenden Gründen abgelehnt werden:

 

  1. Diese Initiative ist ein Teil einer allgemeinen Politik der Linken, und im Speziellen der schweizerischen Sozialisten, deren Ziel es ist, wohlhabende Personen in unserem Land unter dem Vorwand der «Steuergerechtigkeit» anzugreifen. Diese Bewegung verfolgt das Ziel, die helvetische Gesellschaft in eine sozialisierende Gesellschaft, ähnlichen der französischen, umzubilden. Die Initiative, die im vorliegenden Artikel besprochen wird, reiht sich ein in eine Reihe von Vorstössen ähnlicher Stossrichtung, wie beispielsweise diejenige, die die Besteuerung von Erbschaften über CHF 2 Mio. mit einem Steuersatz von 20 Prozent beabsichtigt. Wird eine dieser Initiativen angenommen, wird sich die Schweiz bald einer Menge andere Initiativen ausgesetzt sehen, welche in dieselbe Richtung zielen.

 

  1. Es ist grundlegend, dass die Schweizer Bürger sich bewusst werden, dass diese Initiative nicht nur die Pauschalbesteuerung betrifft. Sie hat zum Zweck, alle «Steuerprivilegien» für natürliche Personen abzuschaffen. Die Einführung dieses völlig unscharfen Konzepts in unsere Rechtsordnung wird das schweizerische Steuersystem völlig destabilisieren. Es wird sowohl die eidgenössischen als auch die kantonalen Bestimmungen in Frage stellen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es die kantonalen Steuerobergrenzen, den Rückkauf der 2. Säule, gewisse Steuerabzüge und sogar die sehr vorteilhaften Steuersätze in gewissen Deutschschweizer Kantonen verbieten wird.

 

  1. Aufgrund des Obgenannten betrifft diese Initiative nicht nur die Kantone, in denen pauschalbesteuerte Personen leben, sondern die ganze Schweiz.

 

Die Pauschalbesteuerung darf aus folgenden Gründen nicht abgeschafft werden:

 

  1. Unter dem Titel der Wirtschaftsförderung haben alle Staaten das Ziel, rentable Unternehmen und vermögende natürliche Personen anzuziehen. Die Pauschalbesteuerung ist ein Werkzeug zur Wirtschaftsförderung, das sich bewährt hat. Die Schweiz ist von Konkurrenzländern umgeben, die dasselbe tun und oft noch vorteilhaftere Systeme haben. Dazu kann der Status des «non-domiciled resident» in Grossbritannien erwähnt werden, wo die Personen nicht nur von einem ähnlichen System wie der Pauschalbesteuerung profitieren, sondern auch einer Erwerbstätigkeit auf dem englischen Territorium nachgehen können, was den Pauschalbesteuerten in der Schweiz nicht erlaubt ist.

 

  1. Diese Art von Steuer wiederspiegelt auf perfekte Weise das föderalistische schweizerische System, indem sie den Kantonen die Freiheit lässt, sie einzuführen oder nicht.

 

  1. Die Steuer nach dem Aufwand erzeugt drei hauptsächliche Arten von Steuern. Einerseits ist der aus der Pauschalbesteuerung bezahlte Betrag wichtig für alle öffentlichen Einrichtungen. Er betrug im Jahre 2012 ungefähr CHF 700 Mio. Obwohl es schwierig ist, eine genaue Berechnung durchzuführen, dürfte sich dieser Betrag auf mehr als CHF 1 Mia. belaufen, wenn die neuen Bestimmungen gemäss dem Bundesgesetz über die Besteuerung nach dem Aufwand vom 28. September 2012 in Kraft sein werden. Andererseits zahlen die Pauschalbesteuerten, welche in der Schweiz versterben, oft einen hohen Betrag an Erbschaftsteuern. Dieser Betrag belief sich beispielsweise 2008 im Kanton Genf auf CHF 195 Mio. Schliesslich bezahlen die nach dem Aufwand besteuerten Personen auch die Mehrwertsteuer auf all ihren in der Schweiz getätigten Ausgaben.

 

  1. Gemäss Studien, auf die sich der Bundesrat bezieht, werden die jährlichen Ausgaben des Steuerzahlers für Konsumgüter auf CHF 1,4 Mia. geschätzt, zu denen noch CHF 900 Mio. für Immobilien hinzukommen.

 

  1. Die Steuer nach dem Aufwand schafft pro Jahr zwischen 22 000 und 30 000 Arbeitsplätze.

 

  1. Aufgrund des Verschwindens des Bankgeheimnisses und der Tatsache, dass die Schweiz keinen Zugang zum freien Kapitalverkehr hat, ist es sehr wichtig für die Banken und für den Schutz der Arbeitsplätze im Bankensektor, dass vermögende Personen aus dem Ausland in der Schweiz Wohnsitz nehmen können. Durch die Abschaffung der Pauschalbesteuerung würde der Bankensektor seine letzten Klienten verlieren, um welche er sich noch direkt kümmern und die er noch direkt kontaktieren kann.

 

  1. Diese Art von Steuerzahlern unterstützt auch im grossen Ausmass entweder über Stiftungen oder durch Schenkungen das schweizerische Vereinswesen und die Kultur.

 

  1. Diese Art der Besteuerung ist sehr einfach anzuwenden und erfordert demnach wenig Verwaltungspersonal, was wenig Kosten für den Staat verursacht.

 

  1. Da die nach dem Aufwand besteuerten Personen einen fixen Steuerbetrag bezahlen, welcher unabhängig vom Einkommen ist, bedeuten die CHF 700 Mio. und bald die Milliarde an Steuern feste Beträge, auf die die öffentlichen Einrichtungen unabhängig von der Konjunktur zählen können.

 

  1. Die Bedingungen für die Pauschalbesteuerung wurden vom Parlament im Jahre 2012 bereits stark verschärft. Es handelt sich in Tat und Wahrheit um einen bereits in Kraft getretenen Gegenvorschlag zu dieser Initiative.

 

  1. Im Gegensatz zu einer verbreiteten Vorstellung bezahlen die nach dem Aufwand besteuerten Personen nicht nur diese Steuer. Sie bezahlen zudem oft viele Steuern im Ausland, wie auch in der Schweiz, und zwar im Rahmen einer Vergleichsrechnung, welche Kontrollrechnung genannt wird.

 

  1. Die zahlreichen ausländischen Staatsbürger, welche nach dem Aufwand besteuert sind, würden unser Land im Falle einer Annahme der Initiative verlassen, und es gäbe keine Neuankömmlinge mehr.

 

  1. Indem das Schweizer Volk die Initiative «gegen die Massenzuwanderung» vom 9. Februar 2014 angenommen hat, hat es seinem Willen Ausdruck verliehen, eine selektive Immigration zu privilegieren. Dies ist per definitionem der Fall der Personen, welche nach dem Aufwand besteuert werden, da diese dem Staat und der Gesellschaft viel bringen und im Gegensatz dazu wenig kosten.

 

Die wichtigsten falschen Hauptargumente der Initianten sind die folgenden:

 

  1. Sie sind der Auffassung, dass das System der Besteuerung nach dem Aufwand den Grundsätzen der Gleichheit und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit widerspricht. Dies ist völlig falsch, da eine nach dem Aufwand besteuerte Person im Gegensatz zu einer Person, welche ordentlich besteuert wird, nicht das Recht hat, in der Schweiz einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, und somit auf eine wichtige Einkommensquelle verzichtet. Die Situation dieser beiden Typen von Steuerzahlern ist daher nicht vergleichbar.

 

  1. Im Gegensatz zum Argument der Initianten ist die Besteuerung nach dem Aufwand völlig Euro-kompatibel. Die Europäische Union verfügt über keinerlei Kompetenz im Bereich der Besteuerung von natürlichen Personen. Der Beweis dafür ist, dass unsere hauptsächlichen Konkurrenten, wozu Belgien, Grossbritannien, das Grossherzogtum Luxemburg und Portugal zählen, alle Mitglied der EU sind.

 

  1. Dass Steuerzahler ihren Staat verlassen, um sich in der Schweiz oder anderswo niederzulassen, ist nicht die Schuld des Gastlandes. Dies ist auf die schlechte Verwaltung und die masslose Besteuerung durch die betreffenden Staatsregierungen zurückzuführen. Die Schuld liegt nicht bei den Ländern, wo sich diese Personen hinbegeben, sondern bei denjenigen, die sie verlassen.

 

  1. Das stereotypische Bild, wonach reiche Personen auch ohne die Pauschalbesteuerung auf jeden Fall in die Schweiz kommen würden, vor allem in die Westschweiz, ist völlig falsch. Kriterien wie die Lebensqualität finden nur Berücksichtigung, um eine Wahl zu treffen zwischen den Ländern, die auf der Shortlist für Länder mit attraktiven Steuergesetzen stehen. Ohne die Pauschalbesteuerung stünde die Schweiz nicht mehr auf dieser Liste.

 

Aus den verschiedenen obgenannten Gründen ist es wichtig, dass sich die ganze Rechte und die Mitte sich gegen die Initiative «Schluss mit den Steuerprivilegien für Millionäre (Abschaffung der Pauschalbesteuerung)» mobilisieren. Würde diese Initiative angenommen, würden reiche Personen unser Land verlassen und kämen nicht mehr zurück. Es läge dann an den verbleibenden Steuerzahlern, darunter diejenigen der Mittelklasse, die Steuern zu bezahlen, welche die abgereisten Personen nicht mehr bezahlen würden.