Philippe Kenel
Der Trust: Welchen Nutzen hat er im schweizerischen Recht?
Philippe Kenel, Doktor des Rechts, Anwalt in Lausanne, Genf und Brüssel, Python & Peter
Obwohl das schweizerische Recht den Trust als solchen nicht kennt, spielt diese Institution eine bedeutende Rolle in der Schweiz. Denn die schweizerischen Banken verwalten eine bedeutende Vermögenssumme, die von Trustees gehalten wird. Im Übrigen befinden sich in der Schweiz, insbesondere in Genf, zahlreiche Gesellschaften, deren Hauptgeschäftstätigkeit in der Ausübung der Funktion eines Trustees und/oder in der Verwaltung von Trusts besteht. Außerdem ist der Trust, in Folge unterschiedlicher Angriffe, denen die Schweiz im Laufe der vergangenen Monate ausgesetzt war, von einigen als die Lösung aller Probleme unseres Landes vorgestellt worden.
Gegenstand dieses Beitrags ist die Zusammenfassung der Situation des Trusts im schweizerischen Recht und die Ermittlung, inwiefern diese Institution eine Alternative im Fall der Aufhebung des Bankgeheimnisses darstellen würde.
Das Haager Übereinkommen vom 1. Juli 1985
Das schweizerische Recht kennt keine innerstaatlichen Rechtsvorschriften in Bezug auf den Trust. Infolgedessen existiert der Trust nach schweizerischem Recht genau genommen nicht. Seit vielen Jahren haben die Rechtslehre und die Gerichte mehrere Theorien aufgestellt und versucht, den Trust der Treuhandgesellschaft, der Stiftung oder dem Vertrag zugunsten Dritter anzunähern. Um eine gewisse Rechtssicherheit für anwesende Wirtschaftsakteure zu schaffen, haben die schweizerischen Behörden, ohne jedoch einen Trust nach schweizerischem Recht zu schaffen, beschlossen, das Haager Übereinkommen vom 1. Juli 1985 über das auf Trusts anzuwendende Recht und über ihre Anerkennung (nachfolgend das Übereinkommen) zu ratifizieren. Es ist am 1. Juli 2007 für unser Land in Kraft getreten.
Das Übereinkommen definiert den Trust als ein Rechtsverhältnis, welches von einer Person (dem Settlor) durch ein Rechtsgeschäft unter Lebenden oder durch letztwillige Verfügung geschaffen wird, wenn das Vermögen im Interesse eines Begünstigten oder für einen bestimmten Zweck unter die Aufsicht eines Trustees gestellt wurde. Aus dieser Bezeichnung ergeben sich die folgenden besonderen Merkmale eines Trusts: die Trennung zwischen dem Trustvermögen und dem eigenen Vermögen des Trustees, das Eigentum des Vermögens im Namen des Trustees und die Verpflichtung des Trustees, das Vermögen gemäß den Trustbestimmungen zu verwalten und zu verwenden. Das Übereinkommen, welches nur auf die freiwillige Errichtung eines Trusts, also den Express Trust im Gegensatz zu der stillschweigenden Gründung, Implied Trust, anzuwenden ist, verfolgt zwei Ziele. Zum einen bestimmt es das auf den Trust anwendbare Recht, indem das von den Parteien gewählte Recht bevorzugt wird. Wenn dies nicht der Fall ist, untersteht der Trust dem Gesetz des Landes, mit dem der Trust die engsten Verbindungen unterhält. Zum anderen sieht das Übereinkommen vor, dass ein Trust, der gemäß dem Gesetz gegründet wurde, welches nach den oben genannten Vorschriften bestimmt wurde, als Trust anerkannt wird. Gründen die Parteien also einen Trust in Anwendung des Rechts der Britischen Jungferninseln, so erkennt die Schweiz folglich an, dass es sich dabei um einen Trust handelt, der dem Recht dieses Staates untersteht. Durch die Ratifizierung des Übereinkommens wurden natürlich nicht alle zivilrechtlichen Fragen beantwortet, die sich im Zusammenhang mit einem Trust stellen. Dies ist insbesondere der Fall bei der Gültigkeit des Rechtsgeschäftes (Schenkung oder letztwillige Verfügung), auf Grund dessen das Vermögen durch den Settlor auf den Trustee übertragen wird. Ebenso regelt das Übereinkommen nicht die Fragen in Verbindung mit dem Pflichtteil der Erben, welcher weiterhin dem Recht des Staates untersteht, in dem der Verstorbene seinen Wohnsitz hatte. Wenn infolgedessen der Nachlass einer Person, deren Wohnsitz sich auf schweizerischem Boden befindet, in der Schweiz eröffnet wird und wenn die Anweisungen an den Trustee die Pflichtteile der pflichtteilsberechtigten Erben beeinträchtigen, so können diese einen Verstoß gegen schweizerisches Recht geltend machen. Die beiden einzigen Mittel zur Vermeidung dieses Risikos sind der Abschluss eines Erbvertrags zwischen dem Erblasser und den Erben und die Unterstellung des Nachlasses durch den ausländischen Erblasser unter sein nationales Recht (professio juris) unter der Bedingung, dass dieses, wie es im englischen Recht der Fall ist, nicht den Begriff des Pflichtteils kennt.
Der Trust und das schweizerische Steuerrecht
Viele Jahre war die Besteuerung von Trusts Gegenstand teils sehr unterschiedlicher Praktiken in den einzelnen Kantonen. Um eine Harmonisierung zu erlangen, erließ die Schweizerische Steuerkonferenz am 22. August 2007 ein Kreisschreiben (Kreisschreiben CSI Nr. 30), welches später auch von der Eidgenössischen Steuerverwaltung am 27. März 2008 angenommen wurde (Kreisschreiben AFC Nr. 20). Infolgedessen regelt sein Inhalt sowohl die Kantons-, als auch die Bundessteuern.
Ohne auf die Einzelheiten dieses Kreisschreibens einzugehen, welches sich in zusammengefasster Form im Anhang dieses Artikels befindet, besteht Anlass zur Feststellung, dass seine Annahme eine gewisse Enttäuschung in den betroffenen Kreisen ausgelöst hat. In der Tat, während Anlass zu der Annahme bestand, dass die Ratifizierung des Haager Übereinkommens, welches keine Bestimmung in Bezug auf das Steuerwesen beinhaltet, den Weg hin zu einer besseren Nutzung des Trusts als Mittel zur Steuer- und Erbschaftsplanung für die gebietsansässigen Schweizer freimachen würde, vernichtete die Annahme des Kreisschreibens von der Schweizerischen Steuerkonferenz CSI jede Hoffnung.
Drei Haupterkenntnisse können aus diesem Dokument gezogen werden. Zum einen hat dieses Kreisschreiben die schweizerische Trust-Industrie durch die Bestätigung des Prinzips gestärkt, nach dem der in der Schweiz ansässige Trustee weder in Bezug auf das Trustvermögen, noch auf die Erträge daraus steuerpflichtig ist. Zum anderen hat dieses Kreisschreiben jedes Interesse einer Person mit Wohnsitz in der Schweiz an der Gründung eines Trusts zunichte gemacht insoweit als dieser entweder nicht anerkannt wird oder es dem Settlor obliegt, die Schenkungssteuer zu entrichten. Schließlich erkennt dieses Kreisschreiben die Gültigkeit eines Irrevocable Discretionary Trust an, der von einer Person mit Wohnsitz im Ausland gegründet wurde, selbst wenn diese später in die Schweiz übersiedelt. Nichtsdestotrotz weisen wir den Leser darauf hin, dass der Trust nicht unmittelbar vor der Ankunft des Settlors in der Schweiz gegründet werden darf, da er ansonsten als ein Rechtsmissbrauch betrachtet werden könnte. Unter diesem Vorbehalt kann es jedoch für einen ausländischen Staatsbürger interessant sein, in die Schweiz umzusiedeln, um dort von der Besteuerung nach dem Aufwand zu profitieren, vor der Umsiedlung in die Schweiz einen Irrevocable Discretionary Trust zu gründen, um sich daraufhin in einer günstigeren Situation zu befinden, gesetzt den Fall, dass die Pauschalbesteuerung aufgehoben werden sollte.
Der Trust: eine Alternative im Fall der Aufhebung des Bankgeheimnisses?
Im Gegensatz zu der von vielen vertretenen Meinung würde die Gründung eines Trusts nach schweizerischem Recht keinesfalls eine Alternative im Fall der Aufhebung des Bankgeheimnisses in der Schweiz darstellen. Denn im Fall einer Kontoeröffnung durch eine Rechtsperson stellt sich doch nicht die Frage, ob es sich um einen Trust nach schweizerischem oder ausländischen Recht handelt, sondern welche Informationen der Bank über den wirtschaftlich Begünstigten des Kontos zur Verfügung gestellt werden müssen. Nun stellt sich das Problem der Wettbewerbsfähigkeit, dem die Schweiz heutzutage gegenüber Finanzplätzen wie Jersey, Guernsey oder den Kaimaninseln ausgesetzt ist, so dar, dass die Schweizer Banken bei der Kontoeröffnung eines Bankkontos durch einen Trustee die Identität des Settlors, des oder der Begünstigten, des Trustees und des Protektors verlangen, was in den genannten Ländern nicht der Fall ist. Infolgedessen ist das Mittel, über das die Schweiz verfügt und das sie nutzen muss, nicht die Gründung eines Trusts nach schweizerischem Recht; stattdessen muss sie Druck bei der OECD ausüben, damit die Banken aller Staaten die gleichen Informationen verlangen müssen wie die Schweizer Banken. Demzufolge sind wir der Ansicht, dass der Trust ein wunderbares Mittel zur Steuer- und Erbschaftsplanung ist, dass es sich jedoch im aktuellen Kontext keineswegs um eine Alternative im Fall der Aufhebung des Bankgeheimnisses handelt. Mit der Ratifizierung des Haager Übereinkommens hat die Schweiz einen Schritt in die richtige Richtung getan. Dennoch sollte das Kreisschreiben in Bezug auf das Steuerwesen geändert werden, damit es zu einem noch attraktiveren Planungsmittel für in der Schweiz Ansässige wird.
Zusammenfassung des Inhalts des Kreisschreibens CSI Nr. 30 vom 22. August 2007 zur Besteuerung von Trusts, aufgenommen im Kreisschreiben AFC Nr. 20 vom 27. März 2008
- Besteuerung des Trusts
Nach schweizerischem Steuerrecht wird der Trust weder als eine juristische Person nach schweizerischem Recht noch als eine juristische Person nach ausländischem Recht betrachtet.
- Besteuerung des Trustees
A Trustee im Ausland
Das schweizerische Recht findet keine Anwendung.
B Trustee in der Schweiz
Der Trustee ist weder in Bezug auf das Trustvermögen, noch auf die Erträge des Trustvermögens steuerpflichtig. Dagegen ist er steuerpflichtig in Bezug auf seine Honorare und Gebühren.
- Besteuerung des Protektors
A Protektor im Ausland
Das schweizerische Recht findet keine Anwendung.
B Protektor in der Schweiz
Der Protektor ist weder in Bezug auf das Trustvermögen, noch auf die Erträge des Trustvermögens steuerpflichtig. Dagegen ist er steuerpflichtig in Bezug auf seine Honorare und Gebühren.
- 1. Besteuerung des Settlors eines widerrufbaren Trusts
A Settlor im Ausland
Das schweizerische Recht findet keine Anwendung. Wenn der Settlor in die Schweiz übersiedelt, wird er nach dem unter Buchstabe B erwähnten System besteuert.
B Settlor in der Schweiz
Die schweizerischen Steuerbehörden sorgen für Transparenz (Vermögenssteuer, Einkommensteuer, keine Kapitalertragssteuer).
- 2. Besteuerung des Begünstigten eines widerrufbaren Trusts
A Begünstigter im Ausland
Wenn sich der Settlor in der Schweiz befindet, ist in der Schweiz die Schenkungssteuer bei Ausschüttung fällig (das Vermögen wird weiterhin als Eigentum des Settlors betrachtet).
B Begünstigter in der Schweiz
Wenn sich der Settlor in der Schweiz befindet, ist die Schenkungssteuer bei Ausschüttung fällig.
Im Fall eines Fixed Interest Trusts ist der Begünstigte einem Nutznießer gleichgestellt. Nach schweizerischem Recht zahlt der Nutznießer sowohl Einkommensteuern als auch Steuern auf die Vermögensanteile, die dem Nutzungsrecht unterstehen.
- 1. Besteuerung des Settlors eines Irrevocable Discretionary Trust
A Settlor im Ausland
Das schweizerische Steuerrecht findet keine Anwendung, selbst wenn sich der Begünstigte in der Schweiz befindet, unter der Bedingung, dass er keine Ausschüttung erhält. Wenn der Settlor nach der Gründung in die Schweiz übersiedelt, so wird der Trust unter dem Vorbehalt des Rechtsmissbrauchs anerkannt.
B Settlor in der Schweiz
1. Besteuerung des Settlors nach gewöhnlichem System
Die schweizerischen Steuerbehörden sorgen für Transparenz. Der Settlor zahlt die gesamten Steuern (Vermögenssteuer, Einkommensteuer, keine Kapitalertragssteuer). Im Fall einer Ausschüttung muss der Settlor die Schenkungssteuer zahlen.
2. Besteuerung des Settlors nach dem Aufwand
Die Steuerbehörden erkennen den Trust an. Es obliegt dem Settlor, die Schenkungssteuer bei Gründung des Trusts zu zahlen. Der Steuersatz wird nach dem gesamten Dotationskapital in Bezug auf den am weitesten entfernten Begünstigten berechnet.
- 2. Besteuerung des Begünstigten eines Irrevocable Discretionary Trust
A Begünstigter im Ausland
Wenn sich der Settlor im Ausland befindet, findet das schweizerische Steuerrecht keine Anwendung. Wenn sich der Settlor in der Schweiz befindet, obliegt es diesem, die Schenkungssteuer zu zahlen.
B Begünstigter in der Schweiz
1. Besteuerung des Settlors nach gewöhnlichem System in der Schweiz
Da der Trust nicht anerkannt ist, obliegt es dem Settlor, die Schenkungssteuer bei Ausschüttung zu zahlen.
2. Settlor im Ausland oder Besteuerung des Settlors nach dem Aufwand in der Schweiz
Da der Trust anerkannt ist, betrachten die schweizerischen Steuerbehörden jede Ausschüttung als Einkommen. Der Begünstigte kann die Zahlung der Einkommensteuer umgehen, wenn er nachweist, dass es sich um die Ausschüttung eines Teils des Dotationskapitals handelt. Dagegen wird die Einkommensteuer auch dann erhoben, wenn es sich bei dem ausgeschütteten Betrag um einen Kapitalertrag handelte.
- 1. Besteuerung des Settlors eines Irrevocable Fixed Interest Trusts
A Settlor im Ausland
Die Steuerbehörden erkennen die Gültigkeit des Trusts an. Bei der Gründung ist keine Steuer in der Schweiz fällig.
B Besteuerung des Settlors in der Schweiz nach gewöhnlichem System oder nach dem Aufwand
Die schweizerischen Steuerbehörden erkennen die Gültigkeit des Trusts an. Es obliegt dem Settlor, die Schenkungssteuer für den Kapitalanteil zu zahlen, der dem Begünstigten zugeteilt wurde.
- 2. Besteuerung des Begünstigten eines Irrevocable Fixed Interest Trusts
A Begünstigter im Ausland
Das schweizerische Recht findet keine Anwendung.
B Begünstigter in der Schweiz
Die Ausschüttungen an den Begünstigten stellen ein besteuerbares Einkommen dar. Wenn der Begünstigte jedoch nachweisen kann, dass der ausgeschüttete Betrag ein Kapitalertrag oder ein Teil des Dotationskapitals ist, so wird dieses Einkommen nicht besteuert. Die Steuerbehörden sind der Ansicht, dass das Dotationskapital des Trusts nicht ausgeschüttet werden kann, bevor alle anderen Einkommen ausgeschüttet wurden.
Der Begünstigte untersteht ebenso der Vermögenssteuer für seinen Anteil am Trustvermögen, welcher im Allgemeinen mittels der Faktoren der Kapitalbildung bestimmt wird. Er ist einem Nutznießer gleichgestellt.