Philippe Kenel
Lex Weber: Die Ruhe nach dem Sturm
Dr. iur. François Bianchi, Notar im Kanton Waadt, UNIL-Lehrbeauftragter, Dr. iur. Philippe Kenel, Rechtsanwalt in Lausanne, Genf und Brüssel, Python & Peter, und Grégoire Varone, Rechtsanwalt und Notar, Crans-Montana
Das Schweizer Volk hat beschlossen, die Anzahl der Zweitwohnsitze in jeder Gemeinde auf 20 Prozent zu beschränken. Artikel 75 b der Bundesverfassung wurde am 11. März 2012 per Volksabstimmung angenommen und das Bundesgesetz über Zweitwohnungen (im Folgenden: das Gesetz) wurde vom Parlament am 20. März 2015 verabschiedet; der Bundesrat wird das Datum seines Inkrafttretens festlegen. Dieses Gesetz muss durch eine Verordnung des Bundesrats ergänzt werden. Es verleiht darüber hinaus den Kantonen eine subsidiäre Gesetzgebungskompetenz, damit diese zusätzliche Beschränkungen einführen können. Die (vorläufige) Verordnung über Zweitwohnungen vom 22. August 2012, deren Gültigkeit sehr umstritten war, wird beim Inkrafttreten des neuen Gesetzes automatisch ausser Kraft gesetzt.
Das Gesetz wird sich insbesondere auf die Gemeinden auswirken, bei denen der Anteil der Zweitwohnungen über 20 % liegt (im Folgenden „die betroffenen Gemeinden“). Bei diesen Auswirkungen handelt es sich insbesondere um (i) das Verbot des Neubaus von Zweitwohnungen und (ii) bestimmte Beschränkungen in Bezug auf den Umbau bestehender Wohnungen. Es ist zu beachten, dass das Gesetz den Bau/Umbau von anderen Räumlichkeiten, bei denen es sich nicht um Wohnungen handelt, (z. B. Läden, Lager- und Büroflächen etc.) nicht einschränkt.
Die Liste der betroffenen Gemeinden wird auf der Grundlage einer jährlichen Bestandsaufnahme in jeder Schweizer Gemeinde, die es ermöglicht, das Verhältnis der Zweitwohnungen zum Gesamtbestand auf ihrem Gebiet festzustellen, aufgestellt und anschliessend regelmässig überarbeitet.
Auswirkungen auf Neubauten
In den betroffenen Gemeinden dürfen nur die folgenden Wohnungen weiterhin gebaut werden (wobei die Einstufung als Wohnung vom Vorhandensein einer Küche abhängt):
- Erstwohnungen oder mit Erstwohnungen gleichgestellte Wohnungen: Eine Erstwohnung ist eine Wohnung, in der mindestens eine Person tatsächlich ansässig ist. Der Begriff der mit Erstwohnungen gleichgestellten Wohnungen bezieht sich auf Sonderfälle wie im Rahmen einer Geschäftstätigkeit, einer Ausbildung, von diplomatischem Personal oder vom Personal eines Unternehmens genutzte Wohnräume etc.;
- zur Touristenunterbringung verwendete Wohnräume, wovon zwei Arten zulässig sind:
a) über kurze Zeiträume im Rahmen eines strukturierten Beherbergungsbetriebs vermietete Wohnräume (wobei der Begriff dem eines Hotels ähnlich ist). Es obliegt dem Bundesrat, den Begriff eines strukturierten Beherbergungsbetriebs zu definieren. Diese Definition wird wahrscheinlich das tatsächliche Angebot von hotelartigen Leistungen (Rezeption, Restaurant, Zimmerservice etc.) sowie bestimmte architektonische Voraussetzungen (die Wohnungen dürfen nicht unabhängig von den Hotelleistungen bewohnbar sein) umfassen;
b) Ferienunterkünfte im selben Gebäude, in dem der Eigentümer seinen Hauptwohnsitz hat (wie z. B. „Fremdenzimmer“), damit die Einheimischen Gäste unterbringen können;
- Zweitwohnungen, jedoch nur in einem der folgenden Fälle:
a) um einem Eigentümer, der in den Bau oder die Renovierung eines Hotels investieren möchte, eine angemessene Rendite zu ermöglichen, gestattet das Gesetz den Bau von mit diesem Hotel verbundenen Zweitwohnungen. Die Bedingungen sind unterschiedlich, je nachdem, ob es sich um ein bestehendes oder altes Hotel handelt:
- ein bestehendes Etablissement kann 50 % seiner Hauptnutzfläche in Zweitwohnungen umwandeln, wenn es nachweisen kann, dass es bereits seit mindestens 25 Jahren besteht und ohne Verschulden seines Eigentümers bzw. Betreibers nicht mehr rentabel ist;
- ein neues Etablissement darf eventuell zwischen 20 % (beim Verkauf) und 33 % (bei der Vermietung) seiner Hauptnutzfläche für Zweitwohnungen verwenden. Dazu muss insbesondere nachgewiesen werden, dass die Erträge aus diesem Immobiliengeschäft in den Hotelbau reinvestiert werden, dass das Hotel ohne diesen Beitrag nicht rentabel wäre und dass zwischen dem Hotel und den Zweitwohnungen eine architektonische und funktionale Verbindung besteht.
b) dem Eigentümer eines geschützten oder für einen Standort charakteristischen Gebäudes kann dessen Umwandlung in eine Zweitwohnung gestattet werden, sofern dessen geschützter architektonischer Charakter nicht beeinträchtigt wird und nachgewiesen werden kann, dass der Erhalt des Gebäudes davon abhängt. Diese Bestimmung ist zum Beispiel für Maiensässe, Rustici und andere für die Bergregionen typische Gebäude gedacht.
Baugenehmigungen für Wohnungen der vorstehenden Kategorien werden mit Auflagen verbunden, die im Grundbuch eingetragen werden und somit von allen Käufern eingehalten werden müssen.
In den betroffenen Gemeinden ist der Bau sonstiger Wohnungen zukünftig definitiv untersagt. Dies gilt insbesondere für:
- Zweitwohnungen (abgesehen von den vorgenannten Ausnahmen in Verbindung mit einem Hotel oder einem geschützten Gebäude). Dabei ist zu beachten, dass das Gesetz den Begriff der Zweitwohnung negativ definiert als „eine Wohnung, die weder eine Erstwohnung ist noch einer Erstwohnung gleichgestellt ist“;
- sog. Ferienwohnungen oder hotelähnliche Wohnungen, die während eines Teils des Jahres vermietet werden sollen und ansonsten von ihren Eigentümern bewohnt werden. Diese Variante, die nach Aussagen der Initiatoren im Rahmen der „Lex Weber“ erlaubt bleiben sollte, wurde vom Schweizer Parlament nicht zugelassen.
Auswirkungen auf bestehende Wohnungen
Gemäss dem Gesetz sind „altrechtliche Wohnungen“ solche, die vor dem 11. März 2012 bestanden oder für die vor diesem Datum eine Baugenehmigung vorlag. Derartige Wohnungen:
- können frei verwendet werden: sie können uneingeschränkt als Zweit- oder Hauptwohnungen verwendet werden. Der Eigentümer kann eine derartige Wohnung somit zur Nutzung als Erstwohnung vermieten, ohne dass sie dadurch ihren Status als Zweitwohnung verliert. Ausserdem kann er sie anschliessend als Zweitwohnung verkaufen, wenn er sie selbst als Erstwohnung genutzt hat;
- können renoviert, um- und wiederaufgebaut werden, ohne dadurch ihren Status als altrechtliche Wohnungen zu verlieren. Es ist sogar möglich, dabei neue Zweitwohneinheiten zu schaffen (z. B. durch Aufteilen einer Zweitwohnung in zwei neue Zweitwohnungen).
- können um 30 % der Hauptnutzfläche erweitert werden, sofern dadurch keine zusätzlichen Zweitwohnungen geschaffen werden. Wenn der Ausbau 30 % überschreitet, verliert die Wohnung ihren Status als altrechtliche Wohnung und eine Verwendung als Zweitwohnung ist nicht mehr möglich.
Schlussfolgerung
Das Gesetz beseitigt eine Vielzahl rechtlicher Unsicherheiten, die seit dem 11. März 2012 bestanden. Es weist jedoch mehrere Lücken und interne Widersprüche auf, die wahrscheinlich auf das angespannte Klima während des Gesetzgebungsverfahrens zurückzuführen sind. Dies ist für die Praktiker natürlich bedauerlich. Es ist die Aufgabe der Gerichte, diesen Mängeln abzuhelfen.
Das Gesetz enthält darüber hinaus schwere Strafandrohungen zur Abschreckung derer, die eventuell versucht sind, es insbesondere durch die Falschdeklaration als Wohnsitze zu umgehen.